«Ein Verein ohne Leistungsdruck»
Bevor Thomas Zwiefelhofers politisches Engagement ihn in das Amt des Regierungschef-Stellvertreters führte, war er Präsident der Pfadfinder und Pfadfinderinnen Liechtensteins
Steckbrief
- Name: Thomas Zwiefelhofer (Pfadi-Name: Zwifi)
- Geburtsdatum: 10. Dezemeber 1969
- Wohnort: Vaduz
- Bei den Pfadfindern gewesen: in der Abteilung Schellenberg (ca. 30 Jahre aktiv)
- Funktionen: Lagerleiter, Rover-Kommissär, Redaktionsleiter Knoten, PPL-Präsident
- Beruf: Mitglied der Gruppenleitung bei einem liechtensteinischen Finanzdienstleistungsunternehmen, ehemaliger Regierungschef-Stellvertreter
Wie bist du zu den Pfadfindern gekommen?
Thomas Zwiefelhofer: In Schellenberg waren die Pfadfinder in meiner Jugend der Verein, bei dem die ganze Dorfjugend dabei war. Mein Onkel Thomas Goop («Mick») war viele Jahre Abteilungsleiter und schon der Bruder meines Grossvaters, Adulf Peter Goop, war einst ein wichtiger und leidenschaftlicher Pfadfinder. Insofern war es auch eine Art Familientradition, dass ich den Pfadfindern beigetreten bin. Konkret habe ich mit der Pfadfinderei zum frühestmöglichen Zeitpunkt, also als «Wölfle», im Jahr 1976 begonnen.
An welche Höhepunkte und witzigen Geschichten erinnerst du dich gerne zurück?
In meinen fast 30 Jahren habe ich sehr viele wunderbare und auch witzige Episoden und Abenteuer erlebt. Ich kann mich zum Beispiel noch an viele Dinge aus meinem allerersten Sommerlager 1977 als «Wölfle» im deutschen Heimenkirch bei Sonthofen erinnern. Da wurde uns mitten am Nachmittag die Lagerkasse gestohlen und wir Kinder haben uns auf die Jagd nach dem Dieb gemacht. Dieser stellte sich dann als Rover unserer Abteilung heraus. Er hat das im Auftrag der Leiter gemacht, um uns zu beschäftigen. Ich kann heute noch von jedem meiner unzähligen Sommer- oder Pfingstlager Bilder im Kopf abrufen und mich an Geschichten und Szenen erinnern. Höhepunkte waren zum Beispiel immer die Lagerfeuer, mit Gitarre, Liedern und «Tschai» (Früchtetee mit Alkohol) vom Feuer. Und am Schluss im Dunkeln der Fahnenabzug, mit der Landeshymne oder dem unvergesslichen Lied «Kein schöner Land in dieser Zeit».
Was macht die Pfadfinderbewegung für dich aus?
Da ist zunächst der enge Bezug zur Natur und zum einfachen, unkomplizierten Leben. Das ist gerade heute, in unserer technisierten und digitalen Welt ein sehr wichtiger Mehrwert für Jugendliche. Die Pfadfinderbewegung hat durch ihren Gründer Robert Baden-Powell einen leicht militärisch angehauchten Charakter, der oft zu Missverständnissen führt. Ihm ging es nicht um Krieg, sondern um das Ausblenden von Klassenunterschieden durch einheitliche Kleidung und darum, Verantwortung zu übernehmen und andere Menschen als Vorbild zu überzeugen.
Das Netzwerk aus der Pfadfinderzeit hat mir auch in Beruf und Politik immer wieder geholfen.
Inwiefern hast du in deiner beruflichen Laufbahn von der Zeit bei den Pfadfindern profitiert?
Dank den Pfadfindern lernte ich früh, Verantwortung für andere zu übernehmen. Später, als Präsident, habe ich in einer schwierigen Zeit den Verband übernommen, und es gab einige Krisen zu bewältigen. Da lernt man für das Leben und auch für spätere berufliche Herausforderungen. Geblieben ist auch die Kraftquelle Natur: Momente, in denen man am Feuer sitzend in einer sternenklaren Nacht die Milchstrasse erblickt und die Unendlichkeit des Universums förmlich spürt, sind unvergesslich. Sie haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Und dann sind da noch die Beziehungen. Ich habe in meiner Pfadfinderzeit viele Freundschaften geschlossen, die bis heute gehalten haben. Das Netzwerk aus der Pfadfinderzeit hat mir auch in Beruf und Politik immer wieder geholfen.
Was motiviert einen dazu, sich über mehrere Jahre hinweg für die Bewegung einzusetzen?
Ganz einfach: Es hat mir einfach unheimlich viel Spass gemacht! Tolle Menschen, spannende Abenteuer, sinnvolle Aufgaben und wertvolle Jugendarbeit ꟷ die Liste ist lang.
Wie würdest du anderen den Verein schmackhaft machen?
Heute wird fast überall Leistung verlangt. Es gibt Druck oder Wettkampf. Bei den Pfadfindern kann man einfach sich selbst sein, man verbringt Zeit in der Natur und mit Freunden, ohne dass ein besonderer Leistungsdruck oder ein hohe Erwartung im Vordergrund steht. Die Pfadfinder sind ein idealer Ort, um Freunde zu finden sowie Abenteuer zu erleben.
Welche Voraussetzungen sollte man als Pfadfinder mitbringen?
Keine besonderen. Ihre Stärke ist es eben genau, dass wirklich jeder dabei sein kann. Man muss nicht besonders klug, sportlich, hübsch oder sozial sein.
Weitere Interviews mit ehemaligen Mitgliedern:
- Claudia Foser-Laternser, CFO Liechtensteinischer Entwicklungsdienst
- Eugen Nägele,Rektor am Liechtensteinischen Gymnasium und Landtagsabgeordneter
- Manfred Bischof, Bürgermeister Vaduz
- Mathias Vogt, Geschäftsführer und Architekt
- Michelle Kranz, Geschäftsführerin Liechtenstein Marketing
- Prinz Nikolaus von und zu Liechtenstein, Diplomat im Ruhestand
- Simon Biedermann, Mandatsleiter Treuhand und Gemeinderat
Diese Beiträge sind im Rahmen der «Knota»-Sonderausgabe entstanden, die am 19. August 2019 an alle Haushalte in Liechtenstein ging. (mehr dazu)